Donnerstag, 19. August 2010

Kulturhinweis

Auf gar keinen Fall sollte man im Geschäft versuchen, die Schein- und Münzenmenge im Wechselgeld zu optimieren, indem man, weil man den Betrag nicht passend hat, der Verkäuferin eine auf den ersten Blick etwas krumme höhere Summe in die Hand drückt. Ein wenig kennt man das aus Deutschland: So manches Kassenpersonal ist zunächst irritiert, gibt man bei einem zu zahlenden Betrag von beispielsweise 35,89 Euro nicht einfach 40 oder 50, sondern 41 oder 51 Euro. Dann muss man schnell sagen, "Na, da krieg ich fünf Euro elf zurück, das ist doch praktischer." Dann sagt sie "Ach ja, stimmt. Mensch, ich weiß auch nicht, was heute mit mir ist" oder so ähnlich, gibt fünf Euro elf raus, und gut ist.

In Russland ist ein solches Verhalten, genau wie der Servicegedanke, weitgehend unbekannt. Beispiel: Als die Kasse im Laden gestern 109,10 Rubel anzeigte, hatte ich die Wahl, 110 Rubel zu geben oder 500. Hätte ich 110 gegeben, wär's das gewesen mit dem Kleingeld. Also 500. Damit ich nicht 90 Rubel in Scheinen (=mindestens fünf Scheine) und 90 Kopeken in Münzen zurückkriege, legte ich 510,10 Rubel auf den Tisch. Die Verkäuferin guckte mich an, als wüchsen mir grad Teufelshörner und grüne, schleimige Ohren aus dem Kopf. Wortlos nahm sie das Geld, zählte es, zählte es nochmal, dachte nach, tat es in die Kasse, und gab zu ihrem Unglück als "gegeben" auch noch 1010,10 Rubel in die Maschine ein statt 510,10. Irritiert schaute sie auf die Kasse, die schnell den herauszugebenden Betrag ausgerechnet hatte. Offensichtlich war ihr klar, dass 901 Rubel Wechselgeld bei 510,10 gegebenen Rubeln irgendwie falsch war. Betont genervt zog sie nach einigem Nachdenken mehrere Hundertrubelscheine aus der Kasse, streckte sie mir mit ausgehaltener Hand hin - und zog die Hand zurück. "Warten Sie", maulte sie. Sie zählte noch einmal nach - vier Scheine hatte sie da - und sagte, "Dann bekommen Sie jetzt 400 Rubel zurück." Ich nahm das Geld und überlegte kurz, ob ich auf den einen Rubel, der noch ausstand, verzichten sollte. Ich habe mich dagegen geschieden und mich damit bei der Dame sowohl als Kundin als auch Ausländerin gänzlich unbeliebt gemacht.
Kaggi-Karr - 19. Aug, 22:36

Service

Hehe, erinnert mich an ein Erlebnis in Sapoliarny (russische Kleinstadt kurz hinter der norwegischen Grenze). Glaub, da hab ich mich auch als Kundin/Ausländerin unbeliebt gemacht... Steht auch in meinem Norwegen-Blog. Ich kopier das Stück mal rein:

Es war längst Mittagszeit, und wir wollten mal richtig gut essen. Auf der Strasse fragten wir eine Frau, welches Restaurant sie uns empfehlen kann. Die Antwort war: „Mangal“, der „Grillspiess“. Irgendwo am Stadtrand gelegen. Wir bestellten ein Taxi, fuhren hin und bestellten uns als erstes kaukasisches Schaschlik. Dieses war köstlich wie immer: Grosse Fleischstücken, sehr lecker marininert und direkt auf der Grillplatte serviert, dazu gab es hausgemachten aserbaidshanischen Wein. Wir waren mitten beim Essen, als die Kellnerin uns unaufgefordert die Rechnung brachte. Wir liessen uns nicht stören, assen fertig und bestellten Eis zum Nachtisch. Die Kellnerin war ziemlich genervt, weil sie die Rechnung neu schreiben musste. Chris und ich hatten aber nach dem Eis noch Appetit auf Kaffee. Jetzt grade, dachte ich, und ging direkt zur Kellnerin. Die guckte mich entsetzt an: „Was denn, noch was?“ Wir bekamen den Kaffee, und ich merkte, dass mir das Kellner-Schikanieren Spass macht. Auch Chris schien sich zu amüsieren. Ich ging also nochmal zum Tresen und bestellte eine Flasche hausgemachten Wein. Meine Kellnerin verdrehte die Augen, ihre Kollegin dagegen erbarmte sich und holte den Wein. Es gab eine neue Rechnung, wir bezahlten und gingen. Später, in Kirkenes, erzählte ich einem russischen Bekannten davon. Der meinte: „Das ist sauschlechter Service, selbst am durchschnittlichen Service russischer Provinz-Städte gemessen. Aber Sapoliarny ist bekannt dafür. Frag mich echt, was euch ausgerechnet dorthin getrieben hat…“ – „Sag mal“, fragte ich, „inzwischen könnten Russlands Kellnerinnen doch kapiert haben, dass es für guten Service Trinkgeld gibt?“ - „Das haben die schon kapiert, aber diese 10-Prozent-Trinkgelder sind denen zum Überleben zu mager.“ - „Aber wir haben doch viel bestellt, das steigert doch den Umsatz? Wir haben dem Unternehmen was Gutes getan.“ – „Klar, aber die Kellnerinnen sind die letzten, die davon profitieren.“ – „Und wie kann ich die Bedienung dazu bringen, guten Service zu leisten?“ – „Ganz einfach: Gib denen das Trinkgeld vorm Bestellen, und zwar reichlich. Das hilft…“

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