Donnerstag, 26. August 2010

Von der Unmöglichkeit sich abzuschotten

Langsam kriege ich einen Koller. Wobei: "Langsam" ist gut, und "kriegen" ist auch gelogen. Langsam habe ich einen Koller.

So sieht es in der Metro aus, wenn die Leute zur Arbeit oder nach Hause fahren.

Es ist laut. Es ist voll. Sie drängeln, sie schubsen, sie laufen dir vor die Füße, sie treten dir in die Hacken, sie bleiben einfach stehen. Die Leute schneiden dich, atmen dich an, sie drücken, sie quetschen. Die U-Bahn schreit lauter als die Kinder in ihr brüllen, lauter als dein i-pod Marilyn Manson spielt. Und es dauert. Mindestens drei, oft vier, manchmal noch mehr Stunden verbringe ich täglich in Moskauer Bussen, U-Bahnen und auf den Wegen dazwischen. In der U-Bahn je nach Berufsverkehrslage - ich sehe zu, dass ich erst gegen elf, halb zwölf in der Redaktion auflaufe, um das unmenschliche Gequetsche zu umgehen -, im Bus je nach Stau. Stau ist auf dem Heimweg eigentlich immer, wenn du vor neun zu Hause sein willst. Und das nicht nur wegen hohen Verkehrsaufkommens: Meistens, wenn doller Stau ist, taucht irgendwann der Grund für die Rumsteherei auf: Ein klitzekleiner Auffahrunfall, bei dem die Kontrahenten die Autos aber auf den anderthalb betroffenen Spuren stehen lassen. Obwohl nicht einmal ein Blinker abgefallen ist. Bei einer kleinen Straße mit drei Spuren pro Richtung merkt man so etwas natürlich. Auf wen die dann warten neben ihren Autos, ist mir nicht ganz klar. Denn schon öfter ist die Miliz mit Blaulicht an Stau und Bus vorbeigebraust, ohne dass sie anschließend am Unfallort zu sehen war.

Was so etwas soll, das weiß ich nicht. Kann man da nicht ein Handyfoto machen und an den Rand fahren mit den Autos? Was soll die ignorante Rücksichtslosigkeit? Alle anderen brauchen nicht fünf Minuten, sondern locker eine halbe Stunde länger nach Hause. Und überhaupt, jetzt mal stauunabhängig: Muss ich mir an den Hintern grapschen lassen, nur, weil ich einem entgegenkommenden Typen nicht ausweiche und seinen aggressiven Blick erwidere? Obwohl der allen Platz zum Ausweichen hat und ich keinen? Obwohl ich hätte langsamer werden und hinter Leuten herlatschen müssen?

In einem deutschsprachigen Reiseführer lese ich folgendes: "Einen direkten Blickkontakt empfinden viele Russen als überheblich und aufdringlich, vor allem Mädchen und junge Frauen schauen ihr Gegenüber selten direkt an, ein Lächeln scheint ihnen ebenfalls nicht angebracht."

Abends spät - und bei manchen auch am Tag - kommt der Alkohol hinzu. Schwanken, Lallen, brutale Fahne. An der U-Bahn-Endstation schlafen Obdachlose, liegen da wie 'Tote.

Ihr merkt: Auch, wenn ich nicht ins oberbayerische Hinterland gehöre - für eine Zehnmillionenstadt bin ich nicht gemacht.
auswaerts - 28. Aug, 11:21

wie ein kopfloses Huhn

Hier ist, was Weltenbummlerin Kaggi-Karr mir auf eine E-Mail geantwortet hat, in der ich ihr mein Moskauer Seelenleid geklagt habe: Ich selbst habe mich nie so richtig wohlgefühlt in Moskau - die Stadt ist einfach zu gross. Du fährst Stunden mit der Metro, beim Umsteigen musst du erstmal die richtige Unterführung finden und läufst/fährst erstmal ne Weile durch die Gänge, ehe du am nächsten Bahnsteig bist... und erst der Platz mit den drei Bahnhöfen, dort drehe ich regelmässig durch: Drei Bahnhofshallen für den Vorverkauf für die Fernzüge, drei Bahnhofshallen für die Abfahrt von Fernzügen, eine (oder waren es zwei?) Hallen für den Vorverkauf von Elektritschka-Tickets, dann eine (zwei?)Halle(n) für die Abfahrt der Elektritschka, dann noch ne Metro-Station. Ausgeschildert ist natürlich nix, und zwischen all den Gebäuden breiten sich die (z.T. überdachten) Strassenmärkte aus... ich bin dort teilweise rumgelaufen wie ein kopfloses Huhn. Oder du kommst mit der Metro an einem Platz an, achtspurige Strasse, vom Platz zweigen sechs Strassen sternförmig ab, die Strasse, zu der du willst, ist irgendwo auf der anderen Seite, du gehst durch die Unterführung, wo nix ausgeschildert ist, probierst ein paar Aufgänge durch und fragst nachher die Leute, auf welcher Strasse du gelandet bist... ok, ich hör auf ))) Nee, Moskau liegt mir auch nicht.

auswaerts - 28. Aug, 22:40

Auf wen die warten

Ich habe mir gerade erklären lassen, auf wen die Leute warten, die mit ihren Pseudounfallautos den ganzen Berufsverkehr aufhalten: Sie warten auf die zuständigen Beamten, die den Unfall aufnehmen. Die zuständigen Beamten sind nämlich nicht die nächstbesten Milizionäre, sondern jene aus dem Stadtteil, in dem das Auto (der Fahrer? die Versicherung?) gemeldet ist. Und das ist halt mitunter ein paar Kilometerchen entfernt, in Moskau und umzu, im Berufsverkehr, mit vielen solcher Unfällchen.

Wenn die das nicht abwarten, können die sich jeglichen Versicherungsschutz gleich abschminken. Handyfotos, Absprachen, kann man alles vergessen. Deshalb blockieren die alles und sind dabei wohl selbst nicht ganz glücklich.

Auswaerts

Kaliningrad - Moskau - Straszburg?

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Schöne Bilder. Und klingt nach einer tollen Zeit!
Lady73 - 15. Okt, 22:17

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Die Moskauer Miliz lieferte eine beeindruckende Vorstellung.

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Zuletzt aktualisiert: 6. Jan, 21:56

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